Das Potenzial hinter der hybriden Arbeit – ein Interview mit Mario

Noch nicht lange ist es her und fast alle pandemischen Massnahmen sind gefallen. Was heisst das für die hybride Arbeit? Wir haben unseren Consultant Mario Niederhauser geschnappt und ihm brennende Fragen zur zukünftigen Arbeitswelt gestellt.

Mario ist Arbeits- und Organisationspsychologe und bei Beetroot Experte für Themen, die sich um die hybride Arbeitswelt drehen. Als Consultant erarbeitet zukunftsweisende Lösungsbeiträge für drängende gesellschaftliche Probleme und setzt sich dafür intensiv mit den Themen Digitalisierung und digitaler Transformation auseinander.

Mario, du bist Spezialist für das Themenfeld der «hybriden Arbeitswelt». Viele konnten schon vor der Pandemie aus dem heimischen Arbeits- oder Wohnzimmer arbeiten. Was ist jetzt anders als noch vor zwei Jahren?

Unternehmen hatten während den letzten Monaten sehr wenig Handlungsspielraum, was den Umgang mit Homeoffice betrifft. Durch die Vorgaben von politischen Instanzen wurde den Unternehmen die Entscheidung abgenommen, ob Mitarbeitende im Homeoffice oder physisch vor Ort arbeiten durften. Angesichts der schrittweisen Lockerung der pandemischen Massnahmen eröffnen sich neue Möglichkeiten, die viel neues Potenzial aber natürlich auch Risiken mit sich bringen. Verschiedene und teilweise gegensätzliche Bedürfnisse und Interessen müssen nun angesprochen und wahrgenommen werden.

Die hybride Arbeitswelt beschäftigt dich schon länger. Welche Aspekte haben dich überrascht in den letzten zwei Jahren?

Da kommen mir spontan zwei Aspekte in den Sinn. Zum einen fand ich es interessant zu beobachten, dass Unternehmen, die stets von sich behauptet haben, dass «Homeoffice bei uns nicht geht» die Umstellung in die remote Arbeit doch relative unbeschädigt und zügig meistern konnten. Wenn man bedenkt, dass viele Mitarbeitenden  während der ersten Welle zum ersten Mal in ihrer Karriere im Homeoffice arbeiten durften und das noch unter diesen Ausnahmezuständen, ist es doch sehr erstaunlich, wie reibungslos alles funktioniert hat.

Der zweite Aspekt, der mich überrascht hat, war das die Arbeit viel effizienzgetriebener wurde. Die sonst so wertvollen und natürlichen Unterbrüche und Pausen wurden wegrationalisiert und es fanden wahre «Meeting-Marathons» statt.

Mario hat während den letzten zwei Jahren häufig im Homeoffice gearbeitet.

Beetroot hat ein modulares Vorgehensmodell für die hybride Arbeit entwickelt – wie kann ich mir das vorstellen?

Unsere Erfahrung zeigt, dass Unternehmen unterschiedlich weit im Umgang mit der hybriden Arbeit sind und vielfältige Zugänge zum Thema haben. Dank unserem modularen Vorgehen, welches fünf Phasen umfasst, können wir jeden Kunden an der Hand nehmen und begleiten. Der Zeithorizont ist dabei frei wählbar und soll nicht in ein starres Schema gedrückt werden. Vielleicht lohnt es sich, Phasen zu kombinieren oder nur anzuschneiden.

Grundsätzlich bildet der erste Schritt bei der Bearbeitung der Thematik in der Regel ein Impulsvortrag, bei uns auch «Denkanstoss» genannt. Unsere Inputs sollen die Synapsen der Teilnehmenden, meist eine auserelesene Gruppe mit heterogenen Mix von HR, IT und Management, aktivieren. Im Idealfall nimmt man sich genug Zeit, so dass nahtlos ein Workshop zur Standortbestimmung Platz findet. So kann anhand eines methodischen Vorgehens bestimmt werden, wo das Unternehmen in Bezug auf die Chancen und Risiken der hybriden Arbeit heute steht.

Mein persönliches Highlight ist jeweils, wenn ich bei Vorträgen, Workshops oder Gastreferaten die Aha-Momente der Teilnehmenden miterleben kann. Die hybride Arbeit ist ein grosses und komplexes Thema! Wenn ich den anwesenden Personen helfen kann ihr ganz individuelles «Big Picture» zu sehen, kommen wir dem Ziel einen Schritt näher.

Je nach Grösse und Wunsch des Unternehmens ist es sinnvoll, nach dieser ersten Auslegeordnung vertieft in die potenziellen Fokusthemen einzutauchen. Als externes Beratungsunternehmen müssen wir die Situation unserer Kunden sehr gut verstehen. Nur so können wir ihnen optimale Unterstützung bieten. Deshalb sieht unser Vorgehen vor, dass wir im Rahmen einer «Rundumsicht» bspw. bestehende Dokumente und Richtlinien, die Räumlichkeiten vor Ort oder auch die sich im Einsatz befindende Kollaborationssysteme begutachten. Weiter erforschen wir auch die Bedürfnisse und Interessen der Mitarbeitenden und wenn gewünscht auch weiteren Stakeholdern. Diese evidenzbasierte Ausgangslage erleichtert die nächsten Schritte. Denn nun gilt es den Blick aufzurichten und systematisch und fokussiert die strategischen Ziele der hybriden Arbeit zu entwickeln. Die nachhaltige Weitsicht kommt nämlich während der täglichen Arbeit meist zu kurz.

Sobald geklärt wurde, wo das Unternehmen steht und wo es hinwill, kommen die verschiedenen Handlungsfelder ins Spiel. Hier werden die technologischen Aspekte, das Changemanagement und weitere Punkte bearbeitet.

Vielleicht scheint die hybride Arbeit als eine nicht enden wollende Wanderung. Unsere Erfahrung zeigt, dass kleine Schritte viel bewirken können. Viele Unternehmen befinden sich in irgendeiner Form nämlich bereits auf der Reise. Trotzdem hilft es oft nochmals eine Schritt zurück zu gehen und das Thema innerhalb der Organisation einheitlich und strategisch anzustossen. 

Während des Impulsvortrags regt Mario zu neuen Denkanstössen an.

 

Das hybride Setting klingt wie eine heile Welt mit vielen Win-Win Situationen. Dabei sollte man Risiken nicht ausser Acht lassen. Welche Schattenseiten gibt und wie äussern sich diese?

Das ist korrekt. Natürlich hat auch die hybride Arbeitswelt seine Schattenseiten, sowohl für Mitarbeitende als auch für Unternehmen. Einerseits wird es durch die flexiblere Arbeitsweise unweigerlich Terminkollisionen geben. Reisezeiten müssen wieder eingeplant werden. Weiter wird es Engpässe und Missverständnisse in der Kommunikation geben, die zusätzliches Frustrationspotenzial bergen. Zudem kann eine gefährliche Gruppenbildung entstehen, wenn sich Mitarbeitende ins «Team Office» oder «Team Homeoffice» aufsplitten. Weiter wartet in der hybriden Arbeitswelt ein regelrechter Fundus an kognitiven Verzerrungen auf uns, dem müssen wir uns bewusst werden. Ein prägnantes Beispiel ist der sogenannte Proximity Bias, der besagt, dass wir unbewusst uns nahestehende Personen (d.h. physisch, als auch emotional) automatisch besser einschätzen. Das fällt in der hybriden Arbeitswelt zweifelsohne enormen ins Gewicht.

Unternehmen, die den Schritt in die hybride Arbeitswelt systematisch und strategisch angehen, haben aus meiner Erfahrung deutlich weniger Schwierigkeiten mit diesen Schattenseiten. Gut orchestriert ist die hybride Zusammenarbeit eine Win-Win Situation für das Unternehmen und ihre Mitarbeitenden.

Arbeiten wir in Zukunft in allen Firmen hybrid?

In jeder Firma schlummert Potenzial, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass. Kaum ein Unternehmen strebt wirklich ein «back-to-normal» an. Die Grossmehrheit hat erkannt, dass es ein «new normal» braucht und hybride Zusammenarbeit dabei ein wesentlicher Faktor spielt. Wie diese Zukunft jedoch genau aussieht entwickelt sich gerade vor unseren Augen.

Es ist nicht einfach sein individuelles hybrides Arbeitsmodell zu finden. Viele sehnen sich nach einer Art Blue Print. Ich rate aber stets von solchen «one-size-fits-all-Lösung» ab. Sich von anderen Unternehmen inspirieren zu lassen ist sicherlich legitim aber das simple Kopieren oder Nachahmen ist äusserst gefährlich. Für meine Argumentation ziehe ich hierfür gerne den Vergleich zur Unternehmenskultur. Seine Unternehmenskultur kann sich eine Organisation nicht aussuchen. Sie hat die, die sie hat. Die Unternehmenskultur ist quasi der Schatten der Organisation. Wenn sich die Organisation verändert, verändert sich auch die Unternehmenskultur. Nicht umgekehrt. Genau so ist es auch mit dem hybriden Arbeitsmodell.

Es ist eine spannende Zeit und ich finde es toll an vorderster Front dieser monumentale Veränderungsprozess mitzuerleben und unsere Kunden auf ihrem Weg zu begleiten.  

Lieber Mario, jetzt mal ganz ehrlich: Lohnt sich die Investition in die hybride Arbeitswelt oder ist dieses Thema nichts als in Hype?

Da kann ich eine klare Antwort darauf geben: Ja, die Investition lohnt sich definitiv. Die Pandemie hat auf die flexible und mobile Arbeit wie ein Brandbeschleuniger gewirkt. Die ersten beiden Jahre dieses Jahrzehnts werden die gesamte Dekade prägen. Das moderne Arbeiten ist in einem konstanten Wandel und es zahlt sich aus, der Veränderung ins Auge zu sehen und proaktiv anzugehen.

Letzte und ganz persönliche Frage: Wie, wo und wann arbeitest du?

In den vergangenen Monaten arbeitete ich überwiegen im Homeoffice aber freue mich nun schon sehr auf die Zeit in der ich meine Kollegen und Kolleginnen sowie meine Kunden und Kundinnen vor Ort treffen kann.

Vielleicht ist das 9-5 Arbeitsmodell mittlerweile veraltet, trotzdem versuche ich mich bewusst an meine tägliche Arbeitszeit zu halten. In der Regel bin ich von montags bis freitags von 7-18 Uhr erreichbar. Zwischendurch nehme ich mir auch mal Zeit, mit meinem Hund an die frische Luft zu gehen oder eine längere Pause zu machen. Für meine persönliche Arbeitsweise habe ich mich schon früh von Profisportlern inspirieren lassen. Denn Profisportler können nur Höchstleistungen abliefern, wenn sie Zeit für Pausen und Erholung ernst nehmen. Deshalb lege ich viel Wert auf Regenerationsphasen ausserhalb der Arbeitszeit.

Initialworkshop – Hybrides Arbeiten

 

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